Zum Inhalt springen
Startseite » News » Stellungnahme der ÖLI-UG zur Änderung des Schulunterrichtsgesetzes

Stellungnahme der ÖLI-UG zur Änderung des Schulunterrichtsgesetzes

Gemeinsame Stellungnahme der APS innerhalb der ÖLI-UG zur geplanten Änderung des Schulunterrichtsgesetzes zur Ausweitung und Implementierung der Kompetenzerhebungen im Rahmen der Bildungsstandards.

Artikel 1
Änderung des Schulunterrichtsgesetzes

Das Schulunterrichtsgesetz, BGBl. Nr. 472/1986, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz
BGBl. I Nr. 96/2022, wird wie folgt geändert:

  1. § 17 Abs. 1a lautet:
    „(1a) Die zuständige Bundesministerin oder der zuständige Bundesminister hat für einzelne Schulstufen der in § 1 genannten Schularten (Formen, Fachrichtungen) Bildungsstandards zu verordnen, wenn dies für die Entwicklung und Evaluation des österreichischen Schulwesens notwendig ist. Bildungsstandards sind konkret formulierte Lernergebnisse, die sich gemäß dem Lehrplan der jeweiligen Schulart (Form, Fachrichtung) auf einzelne Pflichtgegenstände oder auf mehrere in fachlichem Zusammenhang stehende Pflichtgegenstände beziehen. Bildungsstandards verfolgen das Ziel der nachhaltigen Ergebnisorientierung in der Planung und Durchführung von Unterricht, der bestmöglichen Diagnostik und individuellen Förderung durch konkrete Vergleichsmaßstäbe und der Unterstützung der Qualitätsentwicklung in der Schule. Die insbesondere im Rahmen von nationalen Kompetenzerhebungen zu erhebenden individuellen Lernergebnisse zeigen das Ausmaß des Erreichens der Bildungsstandards auf. Verpflichtende nationale Kompetenzerhebungen finden periodisch oder bedarfsorientiert statt. Darüber hinaus kann die Lehrperson bei Bedarf zum Zweck der Förderung im Rahmen ihrer Unterrichtsarbeit Kompetenzerhebungen durchführen (ergänzende Kompetenzerhebung), diese können auch durch die Schulleitung angeordnet werden. Kompetenzerhebungen fließen als Informationsfeststellungen nicht in die Leistungsbeurteilung ein. Die Lehrperson hat bei der Planung
    und Gestaltung ihrer Unterrichtsarbeit die Kompetenzen und die darauf bezogenen Bildungsstandards zu berücksichtigen sowie die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in diesen Bereichen zu beobachten, zu fördern und bestmöglich zu sichern. Zu diesem Zweck ist auf der 3., 4., 7. und 8. Schulstufe auch eine Einschätzung der überfachlichen Kompetenzen, insbesondere der personalen, motivationalen, lernmethodischen und sozialen Kompetenzen jeder Schülerin bzw. jedes Schülers vorzunehmen. Die Verordnung hat Bildungsstandards, deren Zielsetzung und Form der Überprüfung sowie die inhaltliche Ausgestaltung der Instrumente der Einschätzungen der überfachlichen Kompetenzen festzulegen. Es ist vorzusehen, dass die Ergebnisse von Kompetenzerhebungen so auszuwerten und rückzumelden sind, dass sie für die standortbezogene Förderplanung und Unterrichtsentwicklung ebenso wie für die langfristige systematische
    Qualitätsentwicklung in den Schulen nutzbringend verwertet werden können.“

Stellungnahme

Die geplante Änderung des § 17 SchUG halten wir aus mehreren Gründen für problematisch:

Das Bedürfnis nach Qualitätsentwicklung und Dokumentation von Bildungserfolgen vonseiten des BMBWF ist nachvollziehbar. Diesem Ziel, der Evaluation des österreichischen Schulwesens, wird durch bestehende nationale Leistungsmessungen ohnehin Rechnung getragen.

Die im vorliegenden Entwurf beschriebenen weiteren Erhebungen sind ohne die Einbindung der Eltern problematisch zu sehen. Die Einschätzung der Lehrperson zur „personalen, motivationalen, sozialen und lernmethodischen Kompetenz eines Kindes“ wird eine umfassende Interpretation der persönlichen Lebenssituation des Kindes beinhalten. Ohne eine Möglichkeit für die Eltern, das Bild zu korrigieren, wird eine solche Beschreibung brisant. Derartige Erhebungen erfordern das Einverständnis und Mitwirkung der Eltern. In diesem Zusammenhang möchten wir auf das etablierte System der KEL-Gespräche hinweisen, bei denen man durchaus Parallelen in den nun geplanten Änderungen im SchUG sehen kann.

Darüber hinaus ist die Frage zu stellen, ob diese Erhebung tatsächlich für jedes Kind notwendig und sinnvoll ist. „Diagnosen“ werden auch im medizinischen Bereich kaum für beschwerdefreie Menschen formuliert. Es erscheint wenig hilfreich, im schulischen Alltag jeden Stolperschritt der individuellen Lernentwicklung zu dokumentieren und zu problematisieren.

Des Weiteren entscheidet vor allem die Notengebung über den weiteren Bildungsweg der Kinder, daher kann eine Einschätzung der Kompetenzen nur eine Hilfestellung für die pädagogische Arbeit der Lehrer:innen sein. Wenn man wirklich möchte, dass die Ausweitung der Kompetenzmessung eine Bedeutung für den weiteren Bildungsweg der Kinder haben soll, dann muss man in diesem Zusammenhang ein Umdenken bei der Gewichtung der Notengebung andenken, um diesem Instrument mehr Bedeutung zu geben.

Aus der schulischen Praxis heraus möchten wir davor warnen, Kinder permanent zu Objekten von Fördermaßnahmen zu machen. So lernen Kinder nicht. Vielmehr ist zu befürchten, dass eine derartig überbordende Defizitorientierung kontraproduktive Auswirkungen hat. So könnte etwa eine festgestellte problematische ‚motivationale Kompetenzentwicklung durchaus in der Herangehensweise dieser Erhebung ihre Ursachen haben.

Statt der Suche nach Problemen als Aufhänger für Fördermaßnahmen, könnte auch eine Zusage über Ressourcen für schulische Zusatzangebote gemacht werden. Eine Differenzierung nach Interesse kann die Motivationslage so positiv beeinflussen, dass soziale und lernmethodische Fortschritte damit einhergehen.

Die beschriebenen umfassenden Kompetenzerhebungen dagegen versprechen kaum Vorteile für die Schüler:innen, bedeuten aber eine erhebliche Belastung für Lehrer:innen. Des Weiteren werden wir in Zukunft eine nicht unwesentliche Anzahl von Personen im Schulsystem haben, die keine vollwertige pädagogische Ausbildung haben. Wir halten auch in diesem Zusammenhang die Ausrollung in der erweiterten Kompetenzmessung für problematisch. Es bleibt daher zu hoffen, dass den Lehrpersonen, die Möglichkeit gegeben wird, ihren Schüler:innen Angebote zu machen, statt Misserfolge zu dokumentieren.

Mit freundlichen Grüßen,
Claudia Astner, Renate Brunnbauer, Danny Noack, Claudia Müller


Download Stellungnahme


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert